Kryotherapie zur Narbenbehandlung Kälte kann wulstige Narben flacher und unauffälliger machen

Die Entstehung von Keloiden hängt von der Veranlagung, der Körperstelle, der eigenen Wundheilung, der Hautfarbe und vom Alter ab.
Dr. med. Ron Julius Eppstein
Interview mit Dr. Eppstein zu der Behandlung von Keloiden mittels Vereisung
Nach der Wundheilung können Narben zurückbleiben. Werden diese als störend empfunden, können sie mit der richtigen Behandlung reduziert werden. Im Experteninterview geht Dr. Eppstein darauf ein, wie Narben entstehen und welche Behandlungsmöglichkeiten zur Narbenbehandlung zur Verfügung stehen.
myBody: Welche verschiedenen Narben gibt es?
Dr. Eppstein: Es gibt einen fließenden Übergang von einer normalen, zu einer krankhaften Narbenheilung. Von einer normalen Narbe unterscheidet man eine hypertrophe Narbe. Eine hypertrophe Narbe ist eine Narbe, welche die Grenzen der ursprünglichen Verletzung respektiert, aber über einen längeren Zeitraum gerötet und wulstig ist. Als Steigerung davon gibt es dann das Keloid. Ein Keloid ist eine Narbenwucherung, welche jenseits der Grenzen der ursprünglichen Verletzung geht. Es ist gerötet, geschwollen und dick. Keloide bereiten dem Patienten häufig Schmerzen, jucken und sind für die Patienten unangenehm.
myBody: Wie groß ist das Risiko, dass Keloide entstehen?
Die Wahrscheinlichkeit hängt sowohl von der Veranlagung als auch von der Körperstelle ab. Manche Leute haben eine gute Wundheilung, manche eine schlechtere und manche Leute neigen zu Keloiden, das liegt auch häufig in der Familie. Außerdem spielt die Körperstelle eine wesentliche Rolle: Stellen wie das Brustbein, Ohren, Schulter und Rücken neigen häufiger zu Keloiden als andere Stellen. Außerdem neigen Leute mit dunkler Hautfarbe häufiger dazu, als Leute mit weißer Hautfarbe. Und jüngere Leute häufiger als ältere Leute. So ist ein Keloid bei einem 70-Jährigen sehr unwahrscheinlich. Wenn jemand dagegen in der Pubertät steht, in der gerade alle Wachstumshormone aktiv sind, ist es etwas wahrscheinlicher.
myBody: Ist die Entstehung von wulstigen Narben unabhängig von der Arbeit des Chirurgen und nur eine Frage der individuellen Veranlagung?
Dr. Eppstein: Nein, nicht unbedingt. Also Narben, die zum Beispiel unter einer hohen Spannung zugenäht werden, haben ein höheres Risiko, Keloide zu entwickeln. Aber ich glaube, die persönliche Veranlagung spielt hier auch eine große Rolle. Ich habe Fälle erlebt, bei denen der Chirurg grob genäht hat und die Narbe ist schön geworden. Und ich habe auch Fälle erlebt, bei denen ein plastischer Chirurg eine ganz feine Narbe genäht hat und durch eine schlechte Veranlagung des Patienten hat sich die Narbe dann doch nicht schön entwickelt.
myBody: Sie wenden die „intraläsionale Kryotherapie“ an. Wie läuft dieses Verfahren ab?
Dr. Eppstein: Bei diesem Verfahren wird eine Kryo-Sonde durch die Narbe geführt, in der Längsachse der Narben. Dann wird mittels flüssigen Stickstoffs diese Kryo-Sonde auf Minus 196 Grad runtergekühlt. Diese Kälte wird an das kranke Narbengewebe abgegeben und somit vereist die Narbe von innen nach außen. Das Narbengewebe wird dadurch geschädigt und der Körper heilt und rekrutiert die gesunden Bindegewebszellen aus der Umgebung, welche die Narbe dann über einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten "umbauen" und somit wird die Narbe flacher und weniger wulstig.
myBody: Wie lange dauert so eine Behandlung?
Dr. Eppstein: Das hängt von Größe und Anzahl ab. Es kann von 10 Minuten bis eine Stunde dauern.
myBody: Ist eine einmalige Behandlung ausreichend?
Dr. Eppstein: In der Regel handelt es sich um eine einmalige Behandlung. Aber es gibt auch Fälle, bei denen die Behandlung nach sechs Monaten nicht ausreichend angeschlagen hat. Dann muss man die Behandlung noch einmal wiederholen. Ich würde sagen, in 80% der Fälle ist es eine einmalige Sache, 20% muss man nach einem halben Jahr die Behandlung noch einmal wiederholen.
myBody: Können Sie eine Prozentzahl nennen, mit was für einer Verbesserung zu rechnen ist?
Dr. Eppstein: Die Erfolgsquote hängt ein bisschen von der Körperstelle ab. Beispielsweise kann diese bei den Ohren bei bis zu 80% liegen. Ich habe auch schon Keloide gehabt, die komplett verschwunden sind. Bei anderen Stellen wie Schulter oder Rücken, kann man mit einer Verbesserung von circa 60 % rechnen. Narben am Brustbein sind häufig am schwierigsten zu behandeln. Da rechnen wir mit einer Verbesserung zwischen 30 und 50%.
myBody: Wie würden Sie bei Narben vorgehen, die besonders groß oder sehr auffällig, aber nicht wulstig sind?
Dr. Eppstein: Wir müssen die Narbe natürlich je nach Befund anschauen und uns mit den Patienten besprechen. Aber bei Narben, die nicht hypertroph oder keine Keloide sind, würde ich mit Wahrscheinlichkeit zu einer operativen Narbenkorrektur raten, bei der die Narbe ausgeschnitten und das Gewebe mobilisiert wird, damit die Narbe plastisch-chirurgisch spannungsfrei schön strichförmig vernäht werden kann.
myBody: Die Bestrahlung mit bestimmten Laserwellenlängen kann Narben aufhellen. Was halten Sie von der recht populären Narbenbehandlung mit Laser?
Dr. Eppstein: Der Laser kann das Erscheinungsbild einer Narbe durchaus verbessern. Wenn eine Narbe aber schlecht genäht, breit ist und ein so genanntes Strickleitermuster hat, dann kann der Laser wenig daran ändern. Dann hilft die operative Korrektur, bei der die Narbe nochmal frisch schön strichförmig vernäht wird. Bei Keloiden ist die intraläsionale Kryotherapie die Methode der Wahl.
myBody: Können Sie dem Patienten Tipps an die Hand geben, was er vorab beachten sollte, damit die Narbe schön verheilt?
Dr. Eppstein: Zu allererst sollte eine frisch vernähte Narbe geschont werden. Denn je früher Scherkräfte auf die Narbe kommen, desto schlechter für die Narbe, da sie dadurch unschöner verheilen kann. Da UV-Strahlung schlecht für eine Narbe ist, empfehle ich die Narbe das erste halbe Jahr oder sogar das erste Jahr vor UV-Strahlung zu schützen. Konkret bedeutet das, die Narbe jedes Mal abzudecken, wenn man in die Sonne geht und zusätzlich einen Sonnenschutz, also 30er oder 50er-Sonnencreme, auf die Narbe aufzutragen. Darüber hinaus rate ich, die ersten drei Monate nicht ins Chlorwasser zu gehen. Denn Chlor kann auch die Pigmentierung einer frischen Narbe negativ beeinflussen. Außerdem hilft eine Narbenmassage nach dem Fadenzug, bei der man die Narbe mit kleinen kreisförmigen Bewegungen unter Druck massiert. Wenn die Narbe rötlich wird oder anfängt, wulstig zu werden, dann kann man frühzeitig mit Silikongels oder Silikonpflastern anfangen, die eine Narbe auch günstig beeinflussen können. Als weiteren Schritt kann man mit gezielten Kortison-Injektionen eine Verschlechterung oft verhindern.
myBody: Sie haben von Juckreiz und Schmerzen gesprochen, die Keloide verursachen können. Besteht die Chance, dass die Krankenkasse die Entfernung oder die Behandlung bezahlt?
Dr. Eppstein: Das ist schwierig, denn die Kassen bezahlen diese Behandlung nur in seltenen Einzelfällen. In der Regel ist das eine Selbstzahler-Leistung.
myBody: Und mit welchen Kosten kann man grob rechnen?
Dr. Eppstein: Das hängt von der Größe und der Anzahl der Narben ab. Die Behandlung beginnt ab 800 Euro.
myBody: Gibt es weitere Einsatzgebiete der Kryotherapie oder kommt das Verfahren derzeit nur für Narbenbehandlungen infrage?
Dr. Eppstein: Weitere Einsatzgebiete sind Gegenstand der Forschung. Momentan wird daran geforscht, inwiefern die Kryotherapie bei Basalzellkarzinomen – das ist eine Hautkrebsart – bei älteren Patienten an der unteren Extremität angewendet werden kann und inwiefern sich so eine Therapie mit einer chirurgischen Therapie vergleichen lässt. Die Hypothese ist, dass so eine Kryotherapie mit weniger Nebenwirkungen, weniger Komplikationen, jedoch mit demselben Erfolg einhergeht. Aber diese Forschungen sind noch nicht abgeschlossen und die Ergebnisse noch offen.


Dr. med. Ron Julius Eppstein ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Inhaber der im Dezember 2017 gegründeten Eppstein-Klinik. Zu seinen Spezialgebieten zählen die Brustchirurgie, Bauchdeckenstraffung, Fettabsaugung und Kryotherapie. Dr. Eppstein ist Co-Autor zahlreicher Publikationen zu Themen der Verbrennungschirurgie sowie der Narbenchirurgie.
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